„Die Ansicht, daß die Öffentlichkeit irgend etwas in der modernen Kunst akzeptiert oder ablehnt, verachtet, ignoriert, nicht begreift, verkümmern läßt, von vornherein zunichte macht oder irgendein anderes Verbrechen wider die Kunst im allgemeinen oder den einzelnen Künstler im besonderen begeht, ist lediglich ein romantisches Hirngespinst, ein bittersüßes Trilby-Gefühl. Das Spiel ist längst vorbei, und die Siegestrophäen sind schon lange vergeben, wenn die Öffentlichkeit schließlich erfährt, was los ist. Die Öffentlichkeit, die Millionen von gebundenen Büchern und Taschenbüchern sowie Milliarden von Schallplatten kauft und bei Konzerten die Stadien füllt, die Öffentlichkeit, die hundert Millionen Dollar für einen einzigen Film ausgibt – diese Öffentlichkeit beeinflußt Geschmack, Theorie und künstlerische Ausrichtung in Literatur, Musik und Theater, all jenen Gebieten, auf denen die Betuchten ebenso verzweifelt wie vergeblich Fuß zu fassen versuchen. Bei Malerei und Bildhauerei ist das nie so gewesen. Die Öffentlichkeit, deren phantastische zahlenmäßige Stärke in den Jahresberichten der Museen erfaßt wird, all jene Studenten und Busladungen voller Neugieriger und Mamas und Papas und zwischendrin noch die paar Intellektuellen – sie sind nichts anderes als Touristen, Autogrammhungrige, Gaffer, was das Spielchen Erfolg in der Kunst anbelangt. Die Öffentlichkeit steht vor vollendeten Tatsachen und der oben erwähnten Information, die üblicherweise in Form einer Geschichte oder einer Doppelseite mit Farbbildern ganz hinten im Time-Magazin verbreitet wird. Wie gesagt, eine Information. Nicht einmal die mächtigsten Presseorgane wie Time, Newsweek oder The New York Times sind in der Lage, einen Künstler zu entdecken oder seinen Wert festzulegen. Sie können lediglich die Botschaft verkünden, welche Künstler Cultureburg, das Dorf der beau monde, entdeckt und abgesegnet hat. Sie können nur noch die Ergebnisse bekanntgeben.“
Tom Wolfe (1992). Worte in Farbe – Kunst und Kult in Amerika, München: Knaur, S.28 – ein lesenswertes und amüsantes Buch für Leute, die an der Kunstorientierung zweifeln, und für solche, die an die Kunst glauben.
Dazu fordert Stefan Heidenreich Demokratie in der Kunst
Franz Billmayer, 28.6.2007 – geändert 25.5.2021