In orthodoxen Kirchen werden Ikonen als Bilder – im Sinne eines dreidimensionalen Gegenstandes verehrt.


Die zwei Ikonen liegen auf einem Pult liegen, so dass sie berührt und vor allem geküsst werden können. Offensichtlich gelten Verehrung und Anbetung nicht nur dem dargestellten Heiligen (image) sondern auch dem Bild (picture). Ikonen sind beweglich und unterscheiden sich damit von Wandmalereien. [dazu Freistehende Bilder]

Der Kontext der beiden Ikonen in einer Kirche in Sofia.

Ikonen können wie Bildnisse oder Personen behandelt werden. Sie lassen sich küssen, bekleiden, waschen, schmücken, in Prozessionen durch die Kirche und die Stadt tragen. Sie können besessen werden.

Das berühmte Christusbild, die Sancta-Santorum-Ikone im Lateran in Rom wurde z.B. im Mittelalter an Maria-Himmelfahrt (15. August) in einer feierlichen Prozession in die Kirche S. Maria Maggiore getragen, um dort die Marien-Ikone Salus Populi Romani zu „besuchen“. Acht Tage nach dem Fest (Oktav) kamm dann die Marien-Ikone zu Besuch beim Bild ihres Sohnes. Bilder konnten dann im Zuge der Gegenreformation z.B. durch Krönung geehrt werden (vgl. Hans BeltingBild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. Beck, München 1990, S.352). Belting nennt viele Beispiele aus Legenden, wo Bilder wie Personen oder Heilige  agieren.

So werden folgerichtig Ikonen mit Votivgaben bedacht.

Gefasste Ikonen – Oklad

Christusikone Apollonia mit silbernem Oklad (Fassung).

Um die Ikonen vor den Berührungen und Küssen der Gläubigen zu schützen aber auch um sie besonders zu ehren, werden sie oft mit Silber- oder Goldblechen „bekleidet“. Bei diesem Beispiel aus Apollonia ist nur noch das Gesicht zu sehen. Die anderen Teile des Bildes werden durch das Relief des Oklad dargestellt. Die Gläubigen berühren/küssen vor allem die segnende Hand, die davon schon relativ abgenutzt ist.

Diese Aufnahme des Oklads lässt das Ornament erkennen.

Weitere Ikonen mit Oklad.

 

Ikonen sind die Vorläufer der Gnadenbilder / Wallfahrtsbilder, die wir aus dem katholischen Brauchtum kennen. Wallfahrten gehen zu Bildern – zu Bildnissen oder Tafelbildern – nicht zu Wandmalereien … Man verlobt sich zu einer bestimmten Maria, etwa der von Altötting oder Maria Plain; genau genommen ist damit das jeweilige Bild gemeint.

https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Plain#/media/Datei:Maria_Plain_Gnadenbild.jpg
Auch das Gnadenbild von Maria Plain ist gekrönt und geschmückt.

Über Ikonen nachdenken

Worin unterscheiden sich bewegliche Bilder von unbeweglichen?
Warum eignen sich bewegliche Bilder besonders für einen magischen Bildgebrauch?
Untersuchen Sie die Bilder, die sich bei Ihnen zu Hause in der Wohnung finden, im Hinblick auf „freistehende Bilder“. Welche Bilder werden wie Ikonen verwendet, was stellen sie dar? Wo werden sie aufbewahrt bzw. präsentiert?

siehe auch Anberührte Bilder

erst veröffentlicht 4.2.2008
bearbeitet und erweitert 4.10.2022