Aufklärung, bitte. Anmerkungen zu den BDK-Mitteilungen 3/2010
Dieser Leserbrief wurde in den BDK-Mitteilungen 4/2010 auf Seite 48 abgedruckt.
Hier ist er zur leichteren Lesbarkeit etwas verändert
Bilder sind leicht zu verstehen
Es ist ein bildungspolitischer Skandal, dass sich Bildung und Ausbildung nicht in größerem Umfang um die allgegenwärtigen Bilder kümmern. Die Gründe sind vermutlich einfach. Viele Bildungspolitiker gehen davon aus, dass es da nicht viel zu lernen gibt. Die meisten privaten und öffentlichen Bilder sind leicht zu verstehen: „Man sieht ja, was drauf ist.“ Sie reduzieren den Kunstunterricht, wo es geht. Die anderen kümmern sich lieber um die Kunst und um diejenigen Schülerinnen und Schüler, die gerne „künstlerisch“ arbeiten. Triviale Bilder und triviales Bildverhalten interessieren sie eher weniger, das zeigt sich in den aktuellen BDK-Mitteilungen.
Bildkompetenz zu vermitteln, ist ein wichtiges Anliegen des BDK. Das editorial des Heftes 3/2010 verspricht „einen umfangreichen Einblick in die vielfältigen kunstpädagogischen Arbeitsfelder“. Und genau das präsentiert das Heft:
KUNSTpädagogik.
Von den Bildern, mit denen wir täglich zu tun haben, ist kaum die Rede.
Wenn wir die Seite mit Inhalt und editorial und die mit den Buchempfehlungen, Mitteilungen und Personalia außer Acht lassen, dann bleiben 38 Seiten mit Artikeln übrig. Auf fünf Seiten geht es um verbandsinterne Themen, Fachartikel nehmen 33 Seiten ein.
31 Seiten handeln von Kunstvermittlung und „künstlerischer“ Arbeit von Schülerinnen und Schülern:
- Bilder zu einem Gedicht von Hugo von Hofmannsthal (4 Seiten)
- „Kunst & Kreativität“ zur Persönlichkeits- und Lernentwicklung (3 Seiten)
- Rein ins Museum? – Rein ins Museum (3 Seiten)
- Der fliegende Divan – interkultureller Schülerwettbewerb (2 Seiten)
- Theorie im Praxistest – Zusammenarbeit zwischen Universität Gießen und Schirn Kunsthalle Frankfurt (2 Seiten)
- Bildanalyse an einem Kunstwerk (4 Seiten)
- Museumskoffer (5 Seiten)
- Schutzräume – Erinnerungsräume: Kunstpädagogik hilft Vergessenes zu erinnern (3 Seiten)
- Künstlerische Architekturfotografie von SchülerInnen (4 Seiten)
- Ökologische Kunstpädagogik als Beitrag zum Upcycling (1 Seiten)
Der einzige Artikel (2 Seiten), der sich mit einem Thema von außerhalb der Kunst befasst, stammt nicht von einem Kunstpädagogen, sondern von einem Journalisten. Es ist der Abdruck eines Artikels aus der Süddeutschen Zeitung zur 3D-Technik im Kino und deren mögliche Auswirkungen auf die Filmästhetik.
Das Ergebnis
Artikel über Kunst und Kunstvermittlung machen über 80%, Verbandsnachrichten gut 10% und die so genannte „Alltagsästhetik“ lediglich 5% der Fläche aus. Der Vergleich der verwendeten Zeichen (Buchstaben) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis (80% zu 13% zu 7%).
Vier der Bilder im Heft stammen aus den Medien, die zwei etwa 60 Jahre alten SW-Fotografien eingerechnet. Die restlichen der insgesamt etwa 60 Bilder zeigen Kunst, Kunstausstellungen, zeichnende SchülerInnen, Schülerarbeiten, Ausstellungseröffnungen und Sitzungen. Auf einem Bild ist ein Schüler zu sehen, der möglicherweise mit einem Mobiltelefon fotografiert.
Wo sind die Artikel, die sich mit den wirkmächtigen Bildern in Zeitungen, im Kino, im Fernsehen, auf Mobiltelefonen und Reklamewänden befassen?
Wo werden die Konsum- und Erlebniskultur thematisiert, wo Jugendkulturen und so weiter?
Wo sind die Artikel, die sich weniger um „Vermittlung“ als um Kritik und Aufklärung – etwa über die Kunstszene – bemühen? Oder die Architektur von Kunstmuseen und -ausstellungen rhetorisch untersuchen?
Wo geht es um mediale Fragen, um visuelle Kommunikation, um die Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit, um die Beeinflussung unserer Körpervorstellungen durch Bilder, um aktuelle Methoden der Bildherstellung und -verbreitung, um Unterhaltung, um Tatoos?
Wo geht es um die visuelle Normalität?
Vergleich der Zeichenzahl (Buchstaben) von Texten zu Kunst und Kunstvermittlung und solchen zur Normalkultur.
92% handeln von Kunst und Kunstvermittlung. Hier wurden Texte, die über Verbandsarbeit berichten ausgespart.
Franz Billmayer im August 2010