Die drei Begriffe verdanke ich Rune Pettersson (R. Pettersson, Bilder in Lehrmitteln – Hrsg. von F. Billmayer & G. Lieber – Baltmannsweiler 2010, S.101-104). Sie stammen aus der Leseforschung, lassen sich aber auch auf den Umgang mit Bildern anwenden

Lesbar

Bei der Frage nach der Lesbarkeit geht es darum, inwieweit der Betrachter / Leser eine Botschaft verstehen kann. Die Lesbarkeit ist damit abhängig von Erfahrungen und Erinnerungen des Betrachters. Wer visuell verständlich kommunizieren will, muss sich an den Möglichkeiten und Erfahrungen seines Zielpublikums orientieren. Dabei sind unterschiedliche Aspekte zu beachten:

Motiv(e)

Wer mit einem Bild auf Paris hinweisen will, ist mit dem Eiffelturm besser beraten als mit dem Pantheon, das dem in Rom ähnelt.

Pantheon Paris Quelle: Von Moonik

Pantheon Rom. Von Roberta Dragan

Wer „Liebe“ kommunizieren will, nimmt lieber ein Herz als eine Flamme.

Visuelle Mittel

Dazu lassen sich viele Beispiele finden. In Beispielen unten macht die Schriftart oder der Hintergrund den Unterschied, wie ein Verbot verstanden wird.

Aber es geht auch um so „einfache“ Konventionen wie die Darstellung von Raum

oder von Montageabläufen in Gebrauchsanweisungen von IKEA. Oder um verschiedene Codes zB. billig-preiswert-teuer Mädchen-Buben-Ästhetik und und und …

Genre

Das Genre einer (visuellen) Äußerung gibt die Grenzen und Möglichkeiten der Formulierung vor. Ein journalistisches Foto unterscheidet sich von einem Werbefoto – Die Benetton-Werbung von Oliviero Toscani „spielte“ damit , journalistische Fotografien für Werbung zu verwenden. Sachzeichnung ist anders zu interpretieren wie eine Karikatur oder eine künstlerische Skizze. Eine Architekturfotografie ist anders zu verstehen als ein eine Simulation.

Modus

Der Modus hängt eng mit dem Verstehen eines Genres zusammen. Hier geht es vor allem darum, ob eine Äußerung wortwörtlich oder „indirekt“ (witzig, satirisch, ironisch, spielerisch …) gemeint ist. Der Modus zeigt sich meist in den visuellen Mitteln, aber auch der Kontext spielt eine Rolle.
Auch hier ist die Benetton ein aufschlussreiches Beispiel: journalistische Fotografien sind im wortwörtlichen Sinne gemeint (wir fragen wo, wann, wie und beurteilen sie nach dem Realitäts-/Wahrheitsgehalt.). Werbebilder für Konsumprodukte nehmen wir nicht so ernst, wir gehen davon aus, dass sie in irgendeiner Weise fiktiv oder wenigstens geschönt sind. Bei der Benettonwerbung springt die Interpretation zwischen beiden Modi hin&her.

Kontext

Über den Kontext ist im Zusammenhang mit Kunst schon viel geschrieben worden; zB. über M. Duchamps Urinal. Meine Empfehlungen: „Was macht ein Werk zum Kunstwerk?“ und „Ungewöhnlich: Wie wird ein sehr gewöhnliches Ding zur Kunst?“ von Uli Schuster

Bazon Brock berichtet dazu

Die betende Bäuerin
In Köln hatte sich etwas zugetragen, das man für eine Anekdote halten könnte: einmal wöchentlich erschien eine alte Bäuerin aus der Eifel im Wallraffmuseum vor einem Altarbild, kniete dort nieder und verrichtete ihre Gebete. Dies wurde ihr von den Museumswärtern als nicht erlaubt verwiesen; das übrige Publikum reagierte teils spöttisch, teils aggressiv, so daß sich die fromme Frau ihrerseits düpiert fühlte und es zur grundsätzlichen Frage kam: Darf ein bis dahin in der Dorfkirche verehrtes Altarbild, nachdem es als Kunstwerk ins Museum abtransportiert wurde, weiterhin im rituellen Kontext verwendet werden oder nicht? Mit anderen Worten: Darf man im Museum beten?

Man kann sich fragen, ob nicht auch Kirchen von Kunsttouristen ähnlich unangemessen wahrgenommen werden. Warum werden sie dennoch dort geduldet?

Bilder von Giorgione haben viele Interpretationen ausgelöst, weil im Laufe der Zeit deren Kontext verloren gegangen oder besser vergessen wurde.

Bilder brauchen in vielen Fällen eine Leseanleitung (Legende), um verstanden zu werden.

 

Struktur

Dabei gilt es, auf den Leseprozess Rücksicht zu nehmen. Das gilt für die Strukturierung und Präsentation des Materials bei Bildern der einzelnen Motive. Ein schönes Beispiel bringt Pettersson (S.101)

In beiden Beispielen ist der Inhalt gleich, im zweiten ist die Lesbarkeit gut.

Leserlichkeit

„Die Illustration links ist ein Beispiel für schlechte Leserlichkeit in einem schematischen Bild. Diese Art von falschen dreidimensionalen Bildern ist einfach nur störend. Das rechte Beispiel hat den selben Inhalt, aber die Leserlichkeit ist gut.“ (Pettersson, S. 103)

Leserlichkeit hat nichts damit zu tun, ob wir ein Bild verstehen oder nicht. Damit es leserlich ist, braucht es ein bestimmte Qualität (Kontraste, Schärfe, Größe, Übersichtlichkeit, Zeilenlänge). Auf einem Plakat, das von Autofahrern gelesen werden soll, braucht es große Bilder und entsprechende Schriftgrößen. Umgekehrt behindert in einem Buch eine große Schrift die Leserlichkeit. Je mehr Zeichen/Zeile (Zeilenlänge) verwendet werden, desto schwerer fällt beim Lesen der Zeilensprung.

Schlechte Leserlichkeit wird teuer. Schwer leserliche Gebrauchsanweisung kostet viel mehr Zeit als eine leserliche, je mehr Leute damit zu tun haben, desto größer ist die Verantwortung des Gestalters. Schlechte Leserlichkeit stiehlt Lebenszeit des Publikums – denken wir etwa an Schulbücher.

Lesenswert

Ein Text und ein Bild, die lesenswert sind, sind es ganz einfach wert, gelesen zu werden, weil der Inhalt für uns interessant ist. Der Lesewert der Botschaft ist einerseits eine subjektive Bewertung des Inhalts der Texte und Bilder und andererseits eine subjektive Bewertung dessen, wie die Botschaft für den Leser präsentiert wird. Was für eine Person sehr interessant ist, kann für eine andere sehr langweilig sein. Wir haben unterschiedliche Bedürfnisse zu verschiedenen Zeitpunkten. … Das führt dazu, dass wir Texte und Bilder …  einmal als sehr interessant und ein andermal als völlig uninteressant empfinden.

Abgesehen davon werden Bilder, die angenehme Gefühle auslösen, lieber angeschaut. vgl. Motivationsposter.

Wenn uns etwas interessiert, dann scheuen wir keine Mühe.

Fragen

  • Suchen Sie Bilder und andere visuelle Äußerungen, bei denen dem Publikum bewusst Probleme mit Leserlichkeit und Lesbarkeit gemacht werden. Diskutieren Sie, warum diese eine angemessene Kommunikationsstrategie sein kann.
  • Suchen Sie Beispiele, wo schlechte Leserlichkeit und Lesbarkeit dazu führt, dass Leute vom Zugang zu Informationen ausgeschlossen werden.
  • Vergleichen (und diskutieren) Sie die Zeilenlängen (Zeichen inkl. Leerzeichen) bei verschiedenen Druckerzeugnissen im Hinblick auf Leserlichkeit und Inklusion/Exklusion.