Bilder als Mittel der Beeinflussung
Traditionell werden in der Kunstpädagogik wie in der Kunstwissenschaft Bilder als Texte behandelt – wir interessieren uns vor allem für die Bildaussage, die Bildbedeutung, weniger für ihren Gebrauch, ihren instrumentellen Charakter. (Billmayer 2014)
Bilder wie dieser Öldruck von zwei Kindern (Bub und Mädchen) mit Schutzengel gehörten bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Grundausstattung vieler Kinderzimmer. Meist hingen sie über dem Bett. Immer sind die Kinder in einer mehr oder weniger gefährlichen Situation, auf einer Brücke, im Fels oder am Wasser, im Hintergrund wie hier ein Gewitter,
Gefahren, vor denen die Kinder regelmäßig gewarnt wurden. Das Bild diente zur dauernden Ermahnung und Erinnerung an diese Gefahren. – Die Gefahren sind allerdings immer vorindustriell archaisch: Brücke, Unwetter, Abgrund, Wasser. Daneben vermittelte der allgegenwärtige Schutzengel Sicherheit. (siehe Text weiter unten zum Bildgebrauch)
Der Satz „Da habt ihr aber einen Schutzengel gehabt…“ hat meine Kindheit begleitet.
Es gibt zu dem Bild etliche Varianten.
noch mehr Schutzengel bei billerantik und engel.pflanzenweg.de
Der gute und der schlechte Beter
„Die Details informieren über das, was im 15. Jahrhundert Sozialprestige ausmachte: Pferd und Sattel, Weinfass, Geldkisten, schöne Kleider, gutes Essen &c. Aber das Bild illustriert keine Aufzeichnung eines mittelalterlichen Hausstandes. Es lenkt die Aufmerksamkeit auf die zwei Männer, die vor dem Kruzifix knien. Die Handhaltung zeigt, dass sie beten. Ihre Kleidung verrät, dass der eine reich und der andere arm ist. Als einzelne Gestalten betrachtet können wir dagegen nicht entscheiden, ob der eine fromm und der andere weltlich ist. Die Linien, die die beiden Männer mit ihrer Umgebung verbinden, zeigen dagegen, dass sie ihre Gedanken in unterschiedliche Richtungen lenken. Der Reiche denkt an das Pferd und das Zaumzeug im Stall, an das Geld in der Kiste, an die Kleider in der Kleiderkammer. Der andere hat keine irdischen Besitztümer, an die er denken könnte. Seinen Gedanken richten sich dagegen auf den Heiland und sein vergossenes Blut. Durch den Vergleich der beiden Bildseiten verstehen wir auch ohne erklärenden Text, dass das Bild einen schlechten bzw. guten Beter darstellt.
Aber der Zweck des Bildes ist nicht, davon zu berichten, dass einmal ein armer Mann lebte, der sein Herz bei Christus hatte, und ein anderer, der vor allem seine irdischen Besitztümer liebte. Das Bild will auch nicht sagen, dass gute bzw. schlechte Beter gegeben hat oder gibt. Die Absicht besteht darin, dass der Betrachter sich mit einem der beiden identifiziert und sich die Frage stellt: wem ähnliche ich am meisten? Das Bild ist ein „Mahnbild“ (deutsch im Original, FB). Es warnt den Betrachter davor, sich in seiner irdischen Vorratskammer sicher zu fühlen, und mahnt ihn, sich auf Christus zu verlassen.Ein jüngeres Beispiel für ein Bild als Instrument kann ich aus meinem eigenen Kinderzimmer beitragen. Über meinem Bett hing ein Öldruck, den die Mutter bei einem Hausierer für ein paar Kronen gekauft hatte. Er zeigte einen Buben, der einen Schmetterling jagte, und ein Mädchen, das Blumen pflückte. Es handelte sich um gesunde und frohe Kinder in einer idyllischen Landschaft, und ich konnte mich leicht in dem Buben wieder erkennen und meine Schwester in dem Mädchen. Noch ein Schritt und die Kinder wären abgestürzt und ertrunken. Auch das war leicht zu verstehen. Auf der einen Seite unseres Haus floss ein Bach, der im Frühjahr und Herbst reißendes Wasser führte, auf der anderen Seite unterhalb des Hanges lauerte der See. Wir wurden andauernd vor dem Bach und dem See gewarnt.
Aber wollte uns das Bild nur dazu ermahnen, beim Spielen vorsichtig zu sein? Nein, die Erfahrung hatte uns gelehrt, dass das Unglück dennoch passieren könnte. Ein Spielkamerad war im See ertrunken, als das Eis brach und ein anderer erstickte in der Kiesgrube, in der wir immer spielten. Gleichwohl waren wir nicht ausgeliefert. Hinter uns stand der Schutzengel mit seinen ausgestreckten Flügeln….“
(Bringéus, N. (1981). Bildlore. Södertälje: Gidlunds. S.23f) Übersetzung F.B.
Ein eigenartig reduziertes Bild – Sächsisches Museum für Volkskunst Dresden – zeigt einen Hauslehrer, ein Mädchen und eine sitzende Frau (Mutter und Tochter). Offensichtlich muss das Mädchen vorführen, was es gelernt hat. Ein Bild mahnt vor der häuslichen Prüfungssituation und damit zum Lernen. Mehr dazu
Beispiele für aktuelle Mahnbilder
Beschreiben Sie, wie diese Bilder argumentieren.
In welcher Situation werden Sie eingesetzt?
Was erwarten sich die Bildverwender von diesen Ermahnungen?
Suchen Sie weitere Bilder, mit denen wir heute ermahnt werden. Und schicken Sie diese zur Veröffentlichung an meine Adresse. Beschreiben Sie, wodurch Mahnbilder sich von Bildern unterscheiden, die uns informieren wollen oder die etwas darstellen.
Literatur:
Billmayer, F. (2014). Bild als Text – Bild als Werkzeug. In B. Lutz-Sterzenbach, M. Peters, & F. Schulz (Eds.), Bild und Bildung. München: kopaed-Verlag. (743-748)
Erst veröffentlicht 6.6.2007
2 Pingbacks