Der historisch orientierte Vortrag stellt anhand von Beispielen der Rezeption und Produktion von Werbespots in der handlungsorientierten Medienarbeit vor, wie die Medienmantras der 1970er Jahre – ‚kritischer Medienkonsum‘ und ‚emanzipatorischer Mediengebrauch‘ – sich auf die pädagogische Arbeit ausgewirkt haben.
 
Ein Beispiel:
Im Jahr 1989 Christina Hohenemser und Thomas John stellen sie in „Kunst + Unterricht“ eine Unterrichtseinheit zum Werbespot vor. Die Autor*innen starten den Unterrichtsprozess ausgehend von einem ‚Kinohit‘, an dem sie „das gesamte Umfeld wie Filmwerbung und Filmkritik besprechen“.[1] Dann betrachten sie mit den Lernenden einen Filmklassiker, als Beispiel nennen sie „Le charme discret de la bourgeoisie“ („Der diskrete Charme der Bourgeoisie“, R: Luis Buñuel, F/Es 1972). Im Anschluss werden Werbespots analysiert und selber solche gedreht, die beispielsweise zum Kauf von Toilettenpapier oder dem Likör ‚Amaretto‘ animieren sollen. Auch ein Ergebnis wird ausgeführt:
 
Eine Mädchengruppe hat sich mit einer neuen Produktvariation von ‚Amaretto‘ beschäftigt. Die ästhetischen Mittel der Ruhe und die Auswahl der Bilder und der Musik tragen eindeutig ‚weibliche‘ Züge. Das Produkt wurde in pinkfarbenen Samt- und Seidentüchern arrangiert, von einer Frauenhand mit weißem Satinhandschuh umtanzt und ertastet, wobei die Flasche zu etwas Besonderem wird. Es wurden verschiedene Situationen gezeigt, in denen ‚Amaretto‘ getrunken wird, die aber alle nicht sehr glücklich gewählt waren (beim Sport, beim Sonnenbad, im Büro). Schließlich wird das Produkt nochmals zum Gegenstand ästhetischer Auseinandersetzung: das Etikett als Erkennungszeichen der Flasche wird mit Pinsel und Farbe auf die Leinwand gemalt. Das Ganze endet dann mit dem Einkauf dieser Flasche im Lebensmittelgeschäft und dem anschließenden Beisammensein aller vorher sich in den unterschiedlichen Situationen befindenden Frauen: das Getränk verbindet sie.[2]
 
[1] Hohenemser, Christina/John, Thomas: Werbespots mit der Videokamera, in: Kunst + Unterricht (132/1989), S. 31.
[2] Hohenemser/John 1989, S. 32.