Was Ehmer 1967 in „Kunstunterricht und Gegenwart“ ausführte und später vielfach differenziert weiter ausführte und auch im „Doornkaat“-Artikel formulierte, die Notwendigkeit, im Kunstunterricht nicht einseitig Kunstwerke zum Gegenstand zu machen, sondern die gesamte „optische Kultur“, alle Formen „optischer Kommunikationsmedien“, das erfuhr ich ganz konkret als Student bei Ehmer in Gießen. Und zu den visuellen Massenmedien, die im Fokus der Visuellen Kommunikation standen, gehörten zunehmend auch die Comics. So findet sich z. B. in Ehmers Sammelband „Visuelle Kommunikation“ von 1971 ein umfangreicher Artikel von Jürgen Trabant über Superman. Er zeigt allerdings, was auch in vielen anderen Beiträgen und in der Lehrpraxis in den Vordergrund gestellt wurde: es ging vornehmlich darum, Comics als Massenmedien ideologiekritisch hinsichtlich ihrer vermuteten Manipulationsfunktion im Sinne des herrschenden kapitalistischen Systems zu decodieren.
Doch parallel entwickelte sich auch ein Interesse an Comics als ästhetischem Gegenstand. Die spezifische Sprache der Comics, ihre narrativen Konzepte, Stil, Layout, Wort-Bild-Synthesen rückten ins Blickfeld wie auch die Geschichte der Comics im Rahmen der allgemeinen Geschichte der Bildnarration. Die Kunst selbst sprengte den Rahmen: nicht nur aber vor allem die Pop-Art weist enge Bezüge zu Comics auf, zitiert sie, spielt mit ihrer Ästhetik, findet Synthesen.
Umgekehrt zitieren auch zahlreiche Comics Kunstwerke querbeet durch die Kunstgeschichte. Inzwischen sind die Comics längst in den Kunstmuseen angekommen, wie Ausstellungen im Ludwigmuseum Köln oder in der Schirn in Frankfurt zeigen. Zugleich geht es aber nicht darum, Comics ins Kunstsystem zu sperren, sie krampfhaft zu adeln oder zwischen Kunst-Comic und trivialem Populärcomic zu unterscheiden. Da wären wir wieder – nun auf der Comic-Ebene – da, wo seiner Zeit Ehmers Kritik ansetzte.
Im Kunstunterricht sollte der Comic selbstverständlicher Unterrichtsgegenstand sein. Ziel ist, Schülerinnen und Schüler Comic-kompetent zu machen in kritisch-reflektierter Rezeption wie kreativ fantasievoller Produktion, um so ihre kulturelle eigenständige Teilhabe zu fördern. Und zur Kultur zählen – anders als noch Anfang der 1970er Jahre – die Comics heute unbestritten.