Nicht nur im archäologischen Nationalmuseum in Neapel findet sich kaum eine antike Statue, deren Nase nicht abgeschlagen wurde… die meisten sind irgendwann im Zuge von Restaurierungen ersetzt worden, manchen fehlen sie immer noch. Das lässt sich nicht als Beschädigungen beim Transport erklären. Es handelt sich um absichtliche Beschädigungen der Bildnisse.
Bei Bilderstürmen werden die Bilder in aller Regel nicht einfach beseitigt, sie werden vielmehr beschädigt, quasi verletzt. Diese Verletzung soll sichtbar werden und damit die Ohnmacht der Bilder, sich dagegen zu wehren, zumindest die Ohnmacht der Dargestellten, die Beschädigung ihrer Bildnisse zu verhindern.

Beispiele aus dem Museum in Apollonia in Albanien

Hans Belting schreibt in seinem Buch Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. Beck, München 1990 auf S.515 Bildbestrafungen im Zusammenhang mit dem Bildersturm in der Reformationszeit.

Zwei Motive stehen dabei im Vordergrund. Es geht darum, die Ohnmacht der Bilder zu demonstrieren, denen man immer so viel Macht zugeschrieben hatte. Zum anderen will man die alten Institutionen, besonders die römische Kirche, bloßstellen, die mit solch wirkungslosen Bildern über die Menschen hatte Macht ausüben wollen.

Deshalb geht man einen Schritt über die bloße Entfernung der Bilder hinaus, wenn man sie am alten Ort stehen läßt, aber ihre Gesichter und Hände abschlägt, sie also jener Merkmale beraubt, mit denen sie die Menschen am meisten beeindruckt hatten. Wenn dann der Frevel ungesühnt blieb, war die Machtlosigkeit von Bildern, die nur aus totem Stoff bestanden, um so mehr bewiesen. Die Verhöhnung der Bilder war zuweilen wichtiger als ihre Entfernung. Die Bloßstellung der Institutionen, die diese Bilder verwaltet hatten, nahm manchmal die Form der stellvertretenden Bestrafung „in effigie“ an. Wenn man die Schuldigen nicht erreichte, ließ man den Unmut an den Bildern aus, die sie zurückgelassen hatten. Das waren im normalen Strafrecht die Porträts und Wappen. Nun sind es die Kultbilder, in denen man die alte Kirche bestraft. So kam es manchmal zu einem rituellen Akt, für den bekannte Methoden des Strafvollzugs gewählt wurden. Wenn die Bilder wie ihre eigenen Karikaturen, verstümmelt und verhöhnt, stehenblieben, konnte sich der Betrachter, der mit dem Respekt vor ihnen aufgewachsen war, immer neu seiner eigenen Emanzipation versichern.

erst veröffentlicht 14. 03. 2007

letzte Überarbeitung 5.10. 2022