Der Modus zeigt an, in welchem Verhältnis eine Äußerung (Bild/Text) zur Wirklichkeitsauffassung einer Kultur bzw. eines sozialen Systems steht. Bilder können im immediaten (direkten oder „wortwörtlichen“) oder im mediaten (indirekten, „übertragenen“) Modus stehen.
Zitate stammen aus Schau‘n mer mal Kunst und andere Bilder und wurden leicht überarbeitet/ergänzt.Dieses Bild steht offensichtlich im mediaten (indirekten) Modus. Das erkennen wir sofort. Aber woran erkennen wir das? Herstellung (airbrush? digitale Bildherstellung?), Darstellungsweise (Teiltransparenz), dargestellte Szenerie (Ritter im Hintergrund, Pistole, Licht) …

Bilder in der Kunst

„Es gibt viele Bilder; ein verschwindend kleiner Teil davon sind Kunstwerke. Grundsätzlich lassen sich Bilder der Kunst von anderen Bildern weder anhand materieller noch anhand sinnlicher Merkmale unterscheiden, auch die Art der Herstellung bietet kein verlässliches Unterscheidungskriterium. Die beiden Bildklassen unterscheiden sich lediglich darin, wie wir mit ihnen jeweils umgehen, wie wir sie verwenden, wie wir sie interpretieren. Kunst ist – so beschrieben – kein Wesensmerkmal der Kunstwerke, Kunst ist eine Form des Gebrauchs, den wir von Gegenständen machen. Dadurch dass sie für einen derartigen Gebrauch hergestellt oder ausgewählt werden, werden sie zu Kunstwerken. Kunst ist lediglich ein Index, eine Markierung, die anzeigt, wie mit dem damit bezeichneten Gegenstand bzw. Phänomen umzugehen ist. Der Index ist nicht Teil des Werkes, sondern des Zusammenhangs, in dem es steht. Wie sich an vielen Beispielen moderner Kunstwerke zeigen lässt, ist diese Zuschreibung weder an die Erscheinung noch an den Inhalt gebunden. Alles kann Kunst werden, wenn ein Künstler es dazu macht und Rezipienten ihm ‚folgen‘. Das Kunstsystem verwaltet dieses Indizes und hält die Gebrauchsanweisungen bereit.“

Klar ein Röntgenbild, also ein Bild im immediaten (direkten) Modus. Wir erkennen das, weil wir schon öfter Röntgenbilder gesehen haben und wir wissen, dass sie nach naturwissenschaftlichen Gesetzen zustande kommen.

Ein Bild wie dieses http://german.china.org.cn/photos/txt/2012-06/19/content_25688620_5.htm  erkennen wir als Röntgenbild, das Motiv lässt uns allerdings erkennen, dass es sich um einen indirekten Modus handelt. Die beiden Hände bilden ein W, das irgendetwas bedeutet.

Andere Unterscheidungen

„Wir können Bilder aufgrund unseres Erkenntnisinteresses und unserer Interpretationsweise in zwei Kategorien unterteilen:
– Bilder, bei denen es richtige und falsche Interpretationen gibt, z.B. Röntgenbilder, Nachrichtenbilder, Satellitenaufnahmen, Visualisierungen von Daten, Diagramme, Naturstudien, Baupläne, naturwissenschaftliche Zeichnungen, Passfotos, Piktogramme &c. Diese Bilder beziehen sich auf eine objektivierbare, intersubjektive Wirklichkeit. Die Richtigkeit der Interpretation lässt sich durch Vergleiche mit der Welt oder den entsprechenden Codes überprüfen.
– Bilder, bei denen die Interpretationen offener sind, wo es um schön oder hässlich, interessant oder uninteressant, ansprechend oder abstoßend, außergewöhnlich oder gängig geht, z.B. Werke der modernen Kunst, Fototapeten, Landschaftsfotografien, Poster, Bilder in der Werbung &c. Die Grade der Offenheit können dabei sehr unterschiedlich sein.
Selbstverständlich können Bilder der ersten Kategorie so verwendet werden wie die der zweiten, etwa wenn wir uns eine Landkarte nicht zur Orientierung sondern als Dekoration an die Wand hängen, oder Benetton Bilder aus der Sphäre des Journalismus überdimensioniert an Plakatwände kleben.“

Allerdings ist ein Umkehrschluss kaum möglich: Bilder der zweiten Kategorie können innerhalb von Zusammenhängen der ersten Kategorie nicht sinnvoll verwendet werden.“

kulturelle Zuschreibung

„Generell ist die Bedeutung von Bildern abhängig vom Gebrauchszusammenhang, in dem sie gezeigt und gesehen werden. Kunstwerke werden nach dieser Klassifizierung prinzipiell genauso interpretiert und verwendet wie Poster, Wandtapeten oder Werbefotografien. Allerdings werden Kunstwerke für wichtiger und bedeutungsvoller gehalten. Dies sind kulturelle Zuschreibungen, die nicht für alle sozialen Gruppen gleichermaßen gelten . Diese Zuschreibungen sind ein Ergebnis von Übereinkunft und Macht. Kunstwerke und Kunst werden an maßgebenden kulturellen und medialen Orten besprochen und diskutiert – Schule, Hochschule, Museum, Feuilleton. Sie fordern und bekommen in bestimmten sozialen Gruppen ein entsprechend hohes Maß an Aufmerksamkeit. Kunstwerke sind in der Regel einzigartig und einmalig, dies sind wichtige Voraussetzungen für die Strategien, Aufmerksamkeit zu erzeugen.“

10Bilder im indirekten Modus werden oft mit bildnerischen Mitteln als solche markiert. Der runde Bildausschnitt und der unscharfe Rand zeigen, dass es sich um ein Bild aus der Werbung oder aus anderen (semi)fiktionalen Zusammenhängen handelt.

Bilder als Äußerungen

Die oben stehenden Überlegungen gelten für Bilder unabhängig davon, ob es sich um Äußerungen – also Texte (im wohlverstandenen Sinne) in Kommunikationssituationen handelt – oder nicht.
Wenn wir Bilder als Äußerungen verstehen, können wir unterscheiden, ob sie sich direkt oder indirekt auf die Wirklichkeitskonzeption der Kultur beziehen. Bilder in journalistischen Zusammenhängen stehen im direkten Modus, solche der Werbung im indirekten Modus. Nicht nur bei sprachlichen Äußerungen gehen wir zunächst so an die Interpretation, als wenn es sich um eine Äußerung im direkten Modus handelte. Erst wenn dieser keine sinnvolle Interpretation ergibt, versuchen wir den indirekten Modus. Die Interpretation einer Äußerung im indirekten Modus ist in aller Regel ein wenig „aufwändiger“, erfordert „mehr“ interpretative Operationen.
In den meisten Fällen wissen wir schon vor den Interpretationsbemühungen, um welchen Modus es sich handelt. Dies erfahren wir zunächst aus dem Zusammenhang, wenn eine Äußerung in einer Nachrichtensendung platziert ist, verstehen wir sie anders, als wenn sie in einer Comedyshow auftaucht. Darüber hinaus werden Äußerungen aber in aller Regel zusätzlich mit entsprechenden Mitteln markiert. Die Sprechweise in der Nachrichtensendung unterscheidet sich von der in Comedyshows.
vgl. Müller, Michael und Sottong, Hermann J., Der symbolische Rausch und der Kode- Zeichenfunktionen und ihre Neutralisierung, Tübingen: Stauffenburg-Verlag 1993.

Übungen
  • Sammeln Sie Bilder. Lassen Sie dabei den Umstand, ob es sich um Äußerungen im engeren Sinne handelt unberücksichtigt. Ordnen Sie die Bilder in eine der beiden Kategorien: direkter – indirekter Modus.
  • Beschreiben Sie, woran Sie die Unterschiede erkennen.
  • Welche Kategorien kommen dabei zur Anwendung?
  • Beschreiben Sie die Gemeinsamkeiten innerhalb einer Kategorie.
  • Beschreiben Sie die Unterschiede zwischen beiden Gruppen, den Bildern im direkten und indirekten Modus.
  • Unterscheiden Sie zwischen folgenden Aspekten.
    • Material, Technik
      Material des Bildträgers, Art des Farbauftrags, Oberflächenbeschaffenheit …
    • Form
      Bildaufbau, Farbe und Farbigkeit, Abstraktionsgrad, Bildformat, Bildgröße, Schärfe, Ikonizität
    • Inhalt, Motiv
      Wenn auf einem Bild, das fotografisch und realistisch wirkt, Engel abgebildet sind, gehen wir von einem indirekten Modus aus, weil die Wirklichkeitskonzeption unserer Kultur davon ausgeht, dass es fotografierbare Engel nicht gibt.
    • Kontext
      Wo die Bilder verwendet werden. Es macht einen Unterschied, ob ein Porträt auf einer Kaffeetasse oder in einem Personalausweis verwendet wird.
  • Wählen Sie einige Bilder aus beiden Gruppen aus und beschreiben Sie, wofür die Bilder verwendet werden.
  • Wählen Sie je ein typisches Bild aus beiden Kategorien und versuchen Sie diese jeweils so zu verändern, dass sie in die andere Kategorie passen. Beschreiben Sie dann, was genau sie dabei gemacht haben.

Zuerst veröffentlicht 15. 3. 2007